ÖNORM B2110, Schadenersatz, Haftungsbegrenzung, Vertragsauslegung

ÖNORM B2110, damages, limitation of liability, interpretation of contract

In the case of several contractually agreed liability provisions, the consequences depend on the exact content of the clauses.

7 Ob 140/21w

Die Klägerin ist die Feuerversicherin einer Gemeinde, an deren Bauhof infolge möglicherweise unsachgemäßer (Flämm-)Arbeiten durch den Erstbeklagten, der für die Zweitbeklagte tätig war, ein Schaden iHv € 344.841,68 entstand. Die Bruttoauftragssumme belief sich auf € 115.694,84.

Für den Prozessausgang war - außer der noch offenen Frage der Kausalität der Arbeiten für den Brand - vor allem die Frage der vereinbarten Haftungsbestimmungen maßgeblich.

Im abgeschlossenen Werkvertrag waren nämlich mehrere Haftungsbestimmungen vereinbart:

  • einerseits unter Punkt C.11 des Leistungsverzeichnisses: “Für alle Schäden, die durch das Verschulden des Auftragnehmers bzw. seiner Gehilfen und Subunternehmer entstehen, haftet dieser bis zum Zeitpunkt der Abnahme durch den Auftraggeber oder dessen Vertreter bzw. bis zur Inbetriebnahme des Objekts“.
  • andererseits die Geltung der ÖNORM B 2110, die die Haftung in ihrem Punkt 12.3.1 bei leichter Fahrlässigkeit bei einer Auftragssumme bis € 250.000 auf höchstens € 12.500 beschränkt.

Für den Fall des Widerspruchs einzelner Bestimmungen des Vertrages wurde explizit eine Reihenfolge der Geltung der Vertragsbestandteile festgelegt. Laut dieser für den Fall des Widerspruchs festgelegten Reihenfolge würde im Widerspruchsfall Punkt C.11 des Leistungsverzeichnisses der ÖNORM B 2110 vorgehen.

Der OGH hatte sich daher mit der Frage zu befassen, ob Punkt C.11 des Leistungsverzeichnisses und die ÖNORM B 2110 zueinander überhaupt im Widerspruch stehen oder ob nicht vielmehr eine generelle Norm mit einer dazu speziellere Norm vorliegen.

Der OGH beurteilte die Bestimmungen dahingehend, dass Punkt C.11 des Leistungsverzeichnisses allgemein die Haftung des Auftragnehmers für Schäden aus eigenem Verschulden, das Einstehen für Verschulden der Gehilfen und Subunternehmer sowie den Haftungszeitraum regelt. Und weiters, dass die in der ÖNORM B 2110 vorgesehene betraglich beschränkte Haftung für leichte Fahrlässigkeit mit dieser allgemeinen allgemeinen Haftungsbestimmung nicht im Widerspruch steht, sondern diese inhaltlich konkretisiert.

Punkt 12.3.1. der ÖNORM B 2110 spricht nämlich erstmals von der genauen Ausgestaltung der allgemein festgehaltenen Haftung (er differenziert zwischen grober und leichter Fahrlässigkeit und reduziert die Haftung auch betraglich) und stellt daher die speziellere Norm zur allgemeinen Haftungsregelung dar.

Damit lagen also keine widersprechenden Bestimmung vor, für die die bei Widersprüchen geltende Reihenfolge zum Tragen kam, sondern eine spezielle Bestimmung, die eine allgemeine Regelung genauer ausgestaltet.

Daraus ergab sich im vorliegenden Fall die Geltung des Punktes 12.3.1. der ÖNORM B 2110, also eine Beschränkung der Haftung auf einen Betrag von € 12.500 obwohl der gesamte Schaden in Summe € 344.841,68 betrug.

Aus Sicht des Auftraggebers ist bei Verträgen, denen die ÖNORM B 2110 zu Grunde liegen soll, daher wesentlich,

  • die Haftungsbestimmungen der ÖNORM B 2110 auszuschließen, oder
  • zumindest explizit in einer übergeordneten Vertragsbestimmung die Haftung des Auftragnehmers unabhängig vom Grad des Verschuldens betraglich unbegrenzt (allenfalls inkl. entgangenem Gewinn) oder – sollte dies nicht möglich sein – die Haftung mit einer konkreten Haftungssumme zu vereinbaren.